08 Mrz Was gute Selbstführung ausmacht | Anregungen
Handeln Sie schon agil, gelassen und souverän?
Der viel zitierte Satz „Nur wer sich selbst gut führen kann, kann auch andere führen“ gewinnt in der heutigen komplexen Geschäftswelt immer mehr an Bedeutung. Vor allem Führungskräften wird nahegelegt, sich verstärkt mit ihrem Innenleben zu beschäftigen, um andere souverän führen zu können. Es geht nicht mehr um Führungstechniken, Zeitmanagement oder Selbstorganisation. Es geht darum, das eigene Innere zu stabilisieren und zu steuern.
Doch auch für jeden einzelnen Mitarbeiter ist es immens wichtig, sich selbst und seine Entscheidungs- und Handlungsweisen besser zu verstehen und die Emotionen zu regulieren. Für Mitarbeiter und Führungskräfte gilt gleichermaßen, den eigenen Seelen-haushalt sensibel zu managen. Gute Selbstführung bedeutet unterm Strich: Souveränes Handeln und Auftreten aus einer reflektierten Haltung heraus!
Gefühle, Psyche – alles unnötiger Kram in der Geschäftswelt
Dass dies gelingt, ist es unerlässlich, sich mit sich selbst, der eigenen Gefühlswelt und den – oft unbewusst ablaufenden – Handlungsmechanismen auseinander-zusetzen. Doch oh weh, Sie ahnen es schon – das geht alles nicht, ohne sich mit der eigenen Psyche zu beschäftigen. Und da fängt die Ablehnung bei vielen schon an! Gefühle, Psychologie, mich mit mir auseinandersetzen – das hat doch im Geschäftsleben nichts zu suchen. Weit gefehlt!
Denn wir sind alle Menschen, geprägt von unserer Vergangenheit, von unserer Erziehung und Kultur, von den Erfahrungen, die wir gesammelt haben und und und. Und oftmals handeln wir aus alten Verletzungen heraus, ohne dass wir das bewusst wahrnehmen. Schon allein, wenn man so manches Konfliktgespräch zwischen Kollegen oder auch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft analysiert, wird man feststellen, dass sich da zwei verletzte Kinder streiten.
Vier unerlässliche Bereiche auf dem Weg zu guter Selbstführung
© Elke Groeger 2019
1. Fähigkeit zu Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion entwickeln
Wer sich auf das Abenteuer einlässt, für den steht zu Beginn die Aufgabe an, die Fähigkeit zu Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion zu entwickeln. Das heißt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und mit sich selbst Kontakt aufzunehmen. Warum handle ich in dieser Situation so? Warum ticke ich jedes Mal aus, wenn mir mein Mitarbeiter oder Kollege das und das sagt bzw. so reagiert? Hierzu muss ich wissen, was mich „triggert“ und woher das kommt. Meist liegen die Wurzeln für solche Mechanismen in der Kindheit. Wir wurden gerügt, bestraft oder wir durften unsere Bedürfnisse nicht ausleben. Die Folge? Wir haben so manche Bewältigungsstrategie entwickelt, um damit klar zu kommen. Oftmals führte das dazu, dass wir schmerzhafte Gefühle abgespalten bzw. verdrängt haben. Diese Strategien funktionieren vielleicht eine Zeit lang, sind aber wie ein Minenfeld, weil die ursprüngliche Verletzung noch besteht und bei jeder nächsten Gelegenheit wieder hochpoppen kann. Und dann wird in vielen Fällen blind geschossen. Für eine Führungskraft, die nicht mit sich selbst verbunden ist, ist es zudem schwer, einen wirklichen zwischenmenschlichen Kontakt zu den Mitarbeitern aufzubauen.
In diesem Minenfeld ist auch das Thema Glaubenssätze angesiedelt. Wenn mich mein Leben lang beispielsweise der dysfunktionale Glaubenssatz „Ich bin nur etwas wert, wenn ich viel leiste“ geprägt hat – dann „Grüß Gott, lieber Antreiber“. Nicht wenige rasseln mit einem monströsen inneren Antreiber in den Burnout. In diesem Zusammenhang ist es eine große Erleichterung, wenn man sein inneres Team kennt, denn wir sind viele: Da gibt es den schon erwähnten inneren Antreiber, den Saboteur, den Richter, den Kritiker, das verletzte innere Kind, aber – um es auch mal etwas netter zu formulieren – auch den inneren Sonnenschein, die innere Kraftquelle – und wie sie alle heißen und sich zeigen. Man muss aber wissen, wer sich da tagtäglich so tummelt. Denn die inneren Kollegen oder Anteile sind nicht jeden Tag gleich präsent und aktiv.
2. Eigene Handlungsmechanismen kennen und steuern
Hier setzt der zweite Bereich auf dem Weg zu guter Selbstführung an. Wenn ich dann mal eruiert habe, wer in meinem Innenleben – oftmals unbewusst – am Ruder ist und welche Handlungsmechanismen daraus entstehen, dann kann ich bewusst beginnen, zu reflektieren, meine innere Haltung zu verändern und daraus positive Handlungsstrategien abzuleiten.
Das bedeutet, erst mal inne zu halten, sich bewusst machen, was mir da gerade so gegen den Strich geht, welches meiner Bedürfnisse gerade verletzt wurde, welche meiner Erwartungen nicht erfüllt wurde, welche Worte das ausgelöst haben und ob ich solche Erfahrungen schon von früher her kenne. Gerade Führungskräfte versuchen meist, einem äußeren Bild von Stärke und Unverwundbarkeit gerecht zu werden. Das kostet aber auf Dauer unendlich viel Kraft und Energie. Sich die eigenen Handlungsmechanismen klar zu machen und zu steuern, geht nicht ohne Bereich Nr. 3.
3. Bewusstes Kanalisieren von Emotionen
Uuuuh – hier wird es gefährlich. Fühlen! Das brauche ich doch nicht – schon gar nicht, wenn es um meinen Chef, meine Mitarbeiter oder meine Kollegen geht! Und überhaupt – es könnte ja ein alter Schmerz hochkommen, wehtun, ich könnte die Kontrolle verlieren. Liebe Leserinnen und Leser, am Wahrnehmen von Emotionen führt aber kein Weg vorbei. Ich möchte damit das Fühlen enttabuisieren. Freude und Glücklichsein wollen wir zulassen, aber keine Wut, Angst und Trauer! Letztere werden ja auch gerne als negative Gefühle bezeichnet. Warum aber, wurden uns überhaupt Gefühle in die Wiege gelegt?
Unterdrückte Gefühle sind ein Gesundheitsrisiko
Gefühle sind unser Warnsystem, so wie uns beispielsweise Angst vor Bedrohung oder Fehlern schützen will. Ich will eine Lanze brechen für die „negativen“ Gefühle. Diese Bezeichnung haben sie nun wirklich nicht verdient, weil sie so wertvoll sind. Sie weisen uns immer drauf hin, dass etwas nicht stimmt. Der Weg also: Sich zu fragen, was macht mich jetzt so wütend oder traurig? Wovor habe ich Angst? Es ist auch erwiesen: Wer Gefühle nicht wegdrängt und verleugnet, der wird nicht depressiv und auch nicht krank. Denn verdrängte Gefühle sind schlau, denn sie wollen nun mal nicht zur Seite geschoben werden. Sie kommen dann gerne durch die Hintertür in Form von anderen Symptomen wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Hautausschlägen, Bluthochdruck, schlechter Laune … um nur einige zu nennen. Sie klopfen so lange an, bis sie wahrgenommen werden. Stellt sich der Gefühlsbesitzer weiterhin stur, wird unser Körper sauer, weil seine Warnsignale ignoriert werden. Dann lässt er sich noch mehr einfallen, indem die Symptome immer heftiger werden. Unterdrückte oder auch sogenannte Frozen Feelings sind damit auch eine gesundheitliche Zeitbombe. Gefühle zuzulassen heißt, unser Körper bekommt ein Ventil. So wie bei Trauer in der Regel automatisch die Tränen kommen. Generell ist Fühlen kein Zeichen von Schwäche – das möchte ich hier in aller Deutlichkeit betonen! Fühlen ist zutiefst menschlich! Wird aber leider in Leistungsgesellschaften oftmals noch eher als Inkompetenz oder als etwas für Weicheier angesehen ….
Freie Fahrt für die Gefühle?
Soll das jetzt heißen, dass ich dann meinen Kollegen ungefiltert anschreien soll, wenn er mich nervt? Ein klares NEIN! Denn hier geht es zunächst darum, zu erkennen, was dahinterliegt, meine wunden Stellen zu kennen, mir meine Verletzlichkeit einzugestehen und mir meiner Gefühle und Reaktionen bewusst zu werden. Denn oftmals bezieht sich die Wut gerade gar nicht auf den Kollegen, sondern es steckt eine alte Verletzung oder ein nicht erfülltes Bedürfnis dahinter.
Wenn ich das erkannt habe, kann ich dem Kollegen in einem ruhigen, ich nenne es erwachsenen, Ton mitteilen, worum es mir geht und um was ich ihn bitte. Das heißt, dass ich die Verantwortung für meine Gefühle und Handlungsweisen übernehme. Dann gehe ich nicht mehr in die Opferposition, in der ich sagen kann, Kollege X oder Chef Y ist ungerecht und blöd. Das nennt sich dann Selbstregulation. Das Optimum ist natürlich, wenn beide Seiten in guter Selbstführung geschult sind, sich wie Erwachsene benehmen und sich entsprechend bewusst und reflektiert verhalten.
4. Wertschätzender Umgang mit sich selbst und anderen
Wenn ich nun erkannt habe, wie mein Innenleben wirkt und sich auch manchmal verselbstständigt, kann ich beginnen, meine Verhaltensweisen zu verstehen, zu verändern, zu regulieren. Hierbei muss sich niemand verurteilen oder verteufeln. Es geht darum, dies alles in einer achtsamen, inneren Haltung zu akzeptieren und anzunehmen, um daraus konstruktive und souveräne Verhaltensweisen abzuleiten.
Und wenn ich weiß, wie es in mir aussieht und wirkt, kann ich auch Verständnis und Toleranz dafür entwickeln, dass es solche Innenkriegsschauplätze bei jedem Einzelnen von uns gibt. Jeder „tickt“ anders, aber nach dem Motto „Ich bin okay, Du bist okay!“ kann es gelingen, mehr Verständnis für sich selbst und andere aufzubauen und damit einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst und anderen zu pflegen. Ein agiles, gelassenes und souveränes Verhalten dank guter Selbstführung wirkt sich damit ungemein positiv auf die Zusammenarbeit, in den Teams und auf das ganze Betriebsklima aus.
Worauf warten Sie noch? Machen Sie sich mit Ehrlichkeit und Achtsamkeit auf den Weg. Haben Sie den Mut, sich selbst besser kennen und führen zu lernen!